Erlöschen einer Dienstbarkeit mangels Offenkundigkeit / Erkennbarkeit bei Eigentümerwechsel am dienenden Grundstück

Der Beklagte hat im Jahr 1998 eine landwirtschaftliche Liegenschaft mit einer Fläche von ca. 60.000 m² erworben. Im Kaufvertrag war festgehalten, dass...

Der Beklagte hat im Jahr 1998 eine landwirtschaftliche Liegenschaft mit einer Fläche von ca. 60.000 m² erworben. Im Kaufvertrag war festgehalten, dass die verkaufende Partei dafür haftet, dass die Liegenschaft frei von allen bücherlichen und außerbücherlichen Schulden und Lasten in den Besitz und Genuss des Beklagten übergeht.


Tatsächlich wurde - im Gegensatz zu der vertraglichen Zusicherung der Lastenfreiheit - etwa seit dem Jahr 1970 aufgrund einer bloß mündlichen Vereinbarung mit dem Verkäufer die Liegenschaft einer Nachbarin (der Klägerin) von einer Quelle auf der gekauften Liegenschaft mit Trinkwasser versorgt. Diese benachbarte Liegenschaft hatte ein immerwährendes Wasserbezugsrecht.

Dem Käufer der landwirtschaftlichen Liegenschaft (dem Beklagten) war diese bloß mündlich vereinbarte Dienstbarkeit des Wasserbezuges und der Wasserleitung bei Vertragsunterfertigung allerdings nicht bekannt. Er wurde weder vom Verkäufer anlässlich der Vertragsunterfertigung darauf hingewiesen noch hat er vor der Vertragsunterfertigung bei Besichtigung des Kaufobjektes eine Quellfassung und / oder Wasserleitungen als Hinweis auf diese Dienstbarkeit gesehen. Letzteres hatte damit zu tun, dass zum Zeitpunkt der Besichtigung der kaufgegenständlichen Liegenschaft durch den Beklagten das Gras, welches länger als 1 Jahr nicht gemäht wurde, sehr hoch gestanden ist und der Beklagte nicht jeden Quadratmeter der gekauften Liegenschaft abgegangen ist bzw. durchsucht hat. Tatsächlich waren aber betonierte Quellfassungen in der hohen Wiese vorhanden.

Ca. ein dreiviertel Jahr nach dem Erwerb der Liegenschaft wurde der Beklagte vom Vater der Klägerin erstmals auf diese Quelle und das Wasserbezugsrecht angesprochen und wurde er gefragt, ob der Vater der Klägerin bzw. die Klägerin dieses Wasser benützen dürfen. Dabei erklärte der Beklagte, dass sie dies dürften, solange er das Wasser nicht selber benötigt. Im Jahr 2002 hat die Klägerin sodann sogar die Quellfassung erneuert und den Beklagten davor um Erlaubnis gefragt. Danach bezog die Klägerin längere Zeit das begehrte Wasser. Im Jahr 2008 hat der Beklagte plötzlich einen Brief des Rechtsanwalts der Klägerin erhalten, worin ihm mitgeteilt wurde, dass die Klägerin im Rahmen eines außerbücherlichen Dienstbarkeitsrechtes seit vielen Jahrzehnten ein Wasserbezugs- und Wasserleitungsrecht am Grundstück des Beklagten hätte. Der Beklagte reagierte erst nach etwa einem Jahr auf diesen Brief und erklärte, dass der Klägerin keine Dienstbarkeit zustünde, sondern sie nur ein von ihm eingeräumtes Wasserbezugs- und Wasserleitungsrecht bis auf Widerruf hätte, nämlich bis der Beklagte selbst dieses Wasser benötigen würde.

Daraufhin klagte die Klägerin auf Feststellung des Bestehens einer immerwährenden Dienstbarkeit des Wasserbezugs- und Wasserleitungsrechtes zu ihren Gunsten. Die Klägerin hat das Verfahren in 1. Instanz verloren, welche Entscheidung von der 2. Instanz bestätigt wurde.

Die Gerichte gingen übereinstimmend davon aus, dass zunächst – etwa ab 1970 – ein vertraglich vereinbartes (mündliches) Wasserrecht zugunsten der Klägerin bestanden hat. Dieses Wasserrecht ist jedoch durch den Kauf der dienenden Liegenschaft seitens des Beklagten erloschen, da der Beklagte nicht wusste bzw. nicht wissen konnte, dass auf der gekauften Liegenschaft dieses Wasserrecht zugunsten der Klägerin besteht. Der Beklagte hat im Sinne des § 443 ABGB diese landwirtschaftliche Liegenschaft gutgläubig lastenfrei erworben. Weder ergab sich aus dem Grundbuch ein Hinweis auf dieses Wasserrecht der Klägerin noch wurde der Beklagte bei Vertragsunterfertigung vom Voreigentümer auf diese Dienstbarkeit hingewiesen. Er konnte in der Natur aufgrund des hohen Grasbewuchses eine betonierte Quellfassung nicht erkennen und fand in der Natur auch sonst keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die von ihm erworbene Liegenschaft mit einer solchen Dienstbarkeit belastet wäre.

Auch die Umstände, dass die Klägerin bzw. ihr Vater den Beklagten nach seinem Liegenschaftskauf fragten, ob sie das Wasser weiterhin benützen dürften und dass die Klägerin die Quellfassung im Jahr 2002 sogar auf eigene Kosten für ihre eigenen Zwecke sanierte, vermochten kein Anerkenntnis eines unbedingten und immerwährenden Wasserrechtes durch den Beklagten zu begründen. Der Beklagte hat nämlich 1999 zugesagt, dass eine Wasserbenützung nur so lange zulässig sei, bis er selbst Wasser benötigen würde. Außerdem kann in der Erlaubnis, eine bestehende Quellfassung sanieren zu dürfen, kein schlüssiges Anerkenntnis eines immerwährenden Wasserbezugsrechtes gemäß § 863 ABGB erblickt werden, da der Beklagte daraus noch nicht schließen musste, dass die Klägerin (Nachbarin) hieraus ein (neuerliches) immerwährendes Dienstbarkeitsrecht ableiten will. Nach dem Jahr 2008, als die Klägerin über ihren Rechtsanwalt ein solches immerwährendes Dienstbarkeitsrecht für sich beanspruchte, ist der Beklagte – wenn auch etwas zeitverzögert – ohnehin tätig geworden und hat dieser Dienstbarkeit widersprochen.

Zusammenfassung:
Eine zuvor tatsächlich bestandene Dienstbarkeit der Klägerin ist zufolge gutgläubigen lastenfreien Erwerbs des Grundstücks durch den Beklagten erloschen. Für eine neuerliche vertragliche Einräumung einer Dienstbarkeit zugunsten der Klägerin nach dem Eigentumserwerb durch den Beklagten fanden die Gerichte keinen Anhaltspunkt.

(1. Instanz Bezirksgericht Bruck an der Mur, 2. Instanz Landegericht Leoben – Beklagtenvertretung: Mag. Dieter Koch)

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