09/05/2025 von Mike Majnik 0 Kommentare
OGH: Rechtsschutzdeckung auch bei Schadenersatzklagen aus Immobilienkäufen
Großer Erfolg von KOCH | Rechtsanwälte vor dem Obersten Gerichtshof: Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Zusammenhang mit dem Liegenschaftskauf sind vom Basis Rechtsschutz-Baustein „Schadenersatz-Rechtsschutz“ umfasst – selbst wenn Versicherungen das systematisch bestreiten.
📌 Gut zu wissen: Der Baustein „Schadenersatz-Rechtsschutz“ ist in nahezu jeder Rechtsschutzversicherung enthalten und kann bereits mit einer sehr geringen Versicherungsprämie abgeschlossen werden. Gerade deshalb ist die Entscheidung so praxisrelevant – denn sie schützt private Käufer in einem der bedeutendsten Rechtsbereiche des täglichen Lebens.
Endlich Klarheit bei Streitigkeiten aus Immobilienkaufverträgen
Streitigkeiten nach einem Liegenschaftskauf – etwa wegen verschwiegener Mängel oder Nutzungsbeschränkungen – führen oft zu Schadenersatzklagen gegen den Verkäufer. Viele Versicherungen verweigern hier kategorisch jede Rechtsschutzdeckung mit dem Argument: Das sei eine Immobilienvertragsstreitigkeit – und die sei „ausdrücklich ausgeschlossen“.
Der OGH hat mit seiner bahnbrechenden Entscheidung 7 Ob 33/25s vom 22. April 2025 dieser Praxis nun eine deutliche Absage erteilt.
Kern der Entscheidung: Schadenersatzansprüche wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen beim Immobilienkauf – insbesondere wegen fehlender Aufklärung über Nutzungsbeschränkungen – fallen unter den Schadenersatz-Rechtsschutz (Art 19 ARB). Und: Solche Ansprüche sind nicht durch Ausschlussklauseln (Art 19.3.1.3 ARB) ausgeschlossen, wenn sie keinem anderen versicherten Rechtsschutzbaustein (z. B. dem Allgemeinen Vertragsrechtsschutz) zugeordnet werden können.
Mit anderen Worten: Wer nach einem Wohnungskauf wegen Täuschung klagt, hat Anspruch auf Deckung – auch wenn die Versicherung das bislang anders sah.
1. Die Argumentation der Versicherung: Liegenschaftskauf sei pauschal ausgeschlossen
Die beklagte Versicherung vertrat im Verfahren die Auffassung, dass:
- die Kläger gegen einen Vertragspartner aus einem Immobilienkaufvertrag vorgehen,
- solche Streitigkeiten durch Art 19.3.1.3 ARB ausdrücklich ausgeschlossen seien,
- es keine Pflicht zur Rechtsschutzdeckung für Liegenschaftskäufe gebe, und
- jeder durchschnittlich interessierte Versicherungsnehmer das auch ohne Weiteres erkennen könne.
Besonders deutlich wurde die Haltung der Versicherung in folgender Formulierung:„Die klagende Partei denkt offenbar (überdurchschnittlich) komplex und möchte durch dieses komplexe Denken einen Versicherungsschutz bei einem ausdrücklich ausgeschlossenen Rechtsbereich erlangen.“
Und weiter:„Rechtsstreitigkeiten aus einem Kaufvertrag bezüglich einer Immobilie sind nicht versichert.“
2. Der mühsame Weg: Krachendes Scheitern in zwei Instanzen
Unsere Argumentation wurde in erster Instanz (Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz) ebenso wie in zweiter Instanz (Oberlandesgericht Graz) verworfen. Beide Gerichte übernahmen die Sichtweise der Versicherung ungeprüft und pauschal. Die Klage auf Feststellung des Rechtsschutzes wurde abgewiesen.
Erst der Oberste Gerichtshof erkannte die Tragweite des Falls – und veranlasste sich zur rechtlichen Klarstellung.
3. Die Antwort des OGH: Differenzierte Auslegung und Stärkung des Versicherungsnehmers
a) Vorvertragliche Pflichtverletzung ≠ vertraglicher Anspruch
Die Kläger machen keine Vertragserfüllung geltend, sondern einen Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung (culpa in contrahendo). Laut OGH ist das kein vertraglicher Schadenersatz, sondern ein gesetzlicher Anspruch aufgrund eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses:
Daher fällt der Anspruch unter Art 19 ARB – den Baustein für Schadenersatz-Rechtsschutz.
b) Ausschlussklausel Art 19.3.1.3 ARB greift nicht
Der OGH qualifiziert Art 19.3.1.3 ARB nicht als echten Risikoausschluss, sondern als Deckungsabgrenzungsausschluss: Er dient lediglich dazu, bestimmte Streitigkeiten anderen Rechtsschutzbausteinen (z. B. dem Rechtsschutz-Baustein „Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz“ nach Art 23 ARB) zuzuordnen.
Doch: Art 23 ARB deckt gerade keine Liegenschaftskäufe ab. Der OGH betont, dass ein auf den Erwerb des Eigentums an Liegenschaften durch den Versicherten gerichtetes Vertragsverhältnis kein schuldrechtlicher Vertrag im Sinn des Art 23 ARB ist.
Die Deckung bleibt daher im Basis-Baustein „Schadenersatz-Rechtsschutz“ bestehen.
4. Ein Sieg für saubere Dogmatik und den Anspruch auf juristische Komplexität
Die Versicherung unterstellte den Klägern sinngemäß einen rechtsmissbräuchlichen Versuch, durch juristisch „komplexes Denken“ Deckung zu erlangen. Doch der OGH hat klar erkannt: Es geht nicht um übertriebene Konstruktionen, sondern um eine richtige dogmatische Einordnung.
Die langjährige Praxis der Versicherer, alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit Immobilienkäufen pauschal auszuschließen, ist mit dieser Entscheidung gescheitert.
Fazit: Schadenersatzklagen im Zusammenhang mit dem Immobilienkauf sind rechtsschutzversichert. Die Entscheidung 7 Ob 33/25s bringt dringend nötige Klarheit:
✅ Schadenersatzansprüche nach einem Immobilienkauf, die auf vorvertragliche Pflichtverletzungen gestützt werden, sind vom Schadenersatz-Rechtsschutz nach Art 19 ARB umfasst.
✅ Deckungsabgrenzungsklauseln wie Art 19.3.1.3 ARB greifen nur dann, wenn das betroffene Risiko tatsächlich einem anderen Rechtsschutzbaustein zugeordnet werden kann – was beim Liegenschaftskauf nicht der Fall ist.
✅ Versicherungen können sich nicht auf pauschale Aussagen berufen, sondern müssen jeden Einzelfall dogmatisch korrekt prüfen.
Ob Aufklärungsmängel, Widmungsprobleme oder verschwiegene Baumängel: Wir setzen uns nicht nur gegenüber dem Liegenschafts- oder Wohnungsverkäufer für Sie ein – wir kämpfen auch mit Nachdruck für eine Kostendeckung durch Ihre Rechtsschutzversicherung.
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