Unvollendetes Wohnhaus mit Baugerüst und Holzstapel — Symbolbild für Bauträgerinsolvenz und Baustopp

Sicherheit beim Wohnungskauf? Risiken und Chancen bei Bauträgerinsolvenz

Die eigene Wohnung vom Bauträger zu erwerben, erscheint vielen als vermeintlich sichere Entscheidung: Man bekommt alles „aus einer Hand“ — von der Planung über die Bauausführung bis hin zur Schlüsselübergabe. Doch was passiert, wenn der Bauträger in die Insolvenz schlittert? Diese Frage stellt sich in der Praxis immer häufiger, da die Zahl der Bauträgerinsolvenzen zuletzt deutlich gestiegen ist.

 

📌 Gut zu wissen:

Eine Bauträgerinsolvenz bedeutet nicht zwangsläufig das Ende Ihres Projekts. Es bestehen verschiedene Optionen:

  • Rücktritt vom Bauträgervertrag
  • Schadenersatzansprüche gegen den Bauträger sind unter Umständen von der Pflichtversicherung gedeckt
  • Haftung des Baufortschrittsprüfers, insbesondere bei groben Baumängeln

Eine frühzeitige rechtliche Prüfung eröffnet erfolgversprechende Handlungsoptionen.

 

Schutz durch das Bauträgervertragsgesetz (BTVG)


Das österreichische Bauträgervertragsgesetz (BTVG) dient vorrangig dem Schutz von Erwerbern. Es verpflichtet den Bauträger, verschiedene Sicherungsmodelle vorzusehen — etwa die Zahlung über ein Treuhandkonto oder die Bereitstellung einer Bankgarantie. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Erwerber entweder Eigentum an der Liegenschaft erhalten oder im schlimmsten Fall ihre Zahlungen zurückfordern können.

Gleichzeitig verpflichtet das BTVG den Bauträger zur ordnungsgemäßen Errichtung des Bauwerks. Trotz dieses starken rechtlichen Schutzes bleiben in der Praxis jedoch Risiken: Verzögerungen, Zusatzkosten und eine erhebliche organisatorische Belastung sind typische Folgen einer Bauträgerinsolvenz.

 

Gut zu wissen:

  • Das BTVG verpflichtet den Bauträger, den Baufortschritt genau zu dokumentieren. Zahlungen dürfen nur nach Baufortschritt freigegeben werden. Das reduziert das Risiko eines Totalverlusts erheblich.

 

Insolvenzverfahren: Rechte und Pflichten der Beteiligten


Kommt es zur Insolvenzeröffnung, tritt der Insolvenzverwalter an die Stelle des Bauträgers. Er entscheidet, ob er in die bestehenden Verträge eintritt und das Bauvorhaben fertigstellt oder ob er den Rücktritt erklärt. In vielen Fällen kommt es zunächst zu einem Baustopp, während der Insolvenzverwalter die wirtschaftliche Lage beurteilt.

 

Hierbei werden unter anderem der Baufortschritt, vorhandene Sicherheiten, das noch benötigte Budget und die Verwertbarkeit des Projekts geprüft. Nach dieser Phase kann entweder eine Fertigstellung durch den Insolvenzverwalter erfolgen oder — wenn eine wirtschaftliche Fortführung unmöglich ist — die Erwerber können das Projekt selbst übernehmen. Letzteres verlangt eine enge Abstimmung unter den Miteigentümern und zusätzliche Finanzierung.

Wichtig: Ein Rücktritt vom Vertrag durch den Erwerber ist oft nur letzter Ausweg und führt dazu, dass bereits geleistete Zahlungen meist nur als Insolvenzforderung geltend gemacht werden können. Im Extremfall droht ein erheblicher oder sogar vollständiger Verlust.

 

Gut zu wissen:

  • Der Insolvenzverwalter wird nur dann in den Vertrag eintreten, wenn die Fertigstellung wirtschaftlich sinnvoll ist und genügend Mittel vorhanden sind. Diese Einschätzung wird oft durch ein Sachverständigengutachten unterstützt.

 

Die Rolle der Pflichtversicherung des Bauträgers


Ein häufig übersehener, aber zentraler Aspekt ist die gesetzlich vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung des Bauträgers gemäß § 117 Gewerbeordnung (GewO). Diese Pflichtversicherung deckt nicht nur Personenschäden oder Sachschäden, sondern umfasst auch reine Vermögensschäden.

 

Gut zu wissen:

  • Viele Erwerber wissen nicht, dass die Pflichtversicherung auch bei reinen Vermögensschäden greifen kann — also z. B. wenn durch Planungsfehler oder fehlerhafte Kostenkalkulation ein finanzieller Schaden entsteht.

Gerade im Insolvenzfall kann diese Versicherung für Erwerber eine zusätzliche Absicherung darstellen. So können beispielsweise Schäden aus Pflichtverletzungen des Bauträgers — etwa durch mangelhafte Bauplanung, fehlerhafte Kostenkalkulation oder die Verletzung von Informationspflichten — geltend gemacht werden.

 

Dabei ist jedoch zu beachten: Um Ansprüche erfolgreich durchzusetzen, müssen diese nicht nur im Insolvenzverfahren als Forderung angemeldet, sondern zugleich gegenüber der Haftpflichtversicherung gemeldet werden. Die Koordination zwischen Forderungsanmeldung bei Gericht und Schadenmeldung an den Versicherer ist entscheidend, um die Rechte der Erwerber umfassend zu wahren.

 

Zusammenspiel zwischen Insolvenz- und Versicherungsrecht


In der Praxis zeigt sich immer wieder, dass Erwerber auf ihre Ansprüche gegen den Bauträger fokussiert sind, aber die parallele Geltendmachung gegenüber der Haftpflichtversicherung aus den Augen verlieren. Genau hier liegt oft ein Schlüssel zur Schadensbegrenzung.

 

Gut zu wissen:

  • Damit Schadenersatzansprüche vom Haftpflichtversicherer übernommen werden, müssen die Ansprüche gegenüber dem Versicherer offengelegt werden. Nur die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren reicht nicht aus!

Während das Insolvenzverfahren häufig zu einer nur geringen Quote führt, kann die Berufshaftpflichtversicherung — sofern die Voraussetzungen erfüllt sind — zumindest einen Teil des entstandenen Vermögensschadens ausgleichen. Allerdings erfordert die rechtzeitige und richtige Schadenmeldung gegenüber der Versicherung fundiertes Fachwissen, insbesondere in der Schnittstelle zwischen Insolvenzrecht, Versicherungsrecht und Bauträgervertragsrecht.

 

Haftung des Baufortschrittsprüfers


Ein oft übersehener, aber entscheidender Akteur ist der Baufortschrittsprüfer. Dieser haftet gemäß § 13 BTVG den Erwerbern unmittelbar, wenn er die Baufortschritte nicht korrekt bestätigt hat. Erfahrungen zeigen, dass viele Bauträgerinsolvenzen ihren Ursprung in zu früh freigegebenen Kaufpreisraten haben, die auf unzutreffenden Baufortschrittsgutachten basieren. Liegen offenkundige Mängel oder unvollständige Leistungen vor, wurden die Mittel vom Treuhandkonto zu früh ausbezahlt. In diesen Fällen lohnt sich eine genaue Prüfung, ob auch gegen den Baufortschrittsprüfer Ansprüche bestehen.

 

Gut zu wissen:

  • Der Baufortschrittsprüfer haftet bei fehlerhafter Gutachtenerstellung für die jeweils zu Unrecht freigegebene Kaufpreisrate — das kann erhebliche Ersatzansprüche für Erwerber eröffnen

 

Frühzeitig professionelle Unterstützung einholen


Die Insolvenz eines Bauträgers bedeutet für Erwerber regelmäßig eine komplexe Ausnahmesituation, die tiefgreifende rechtliche, wirtschaftliche und organisatorische Fragen aufwirft. Entscheidend ist, dass Sie als Erwerber nicht nur die unmittelbaren Rechte aus dem BTVG kennen, sondern auch die Möglichkeiten der Haftpflichtdeckung verstehen und strategisch nutzen.

 

Es empfiehlt sich daher, frühzeitig einen spezialisierten Rechtsberater hinzuzuziehen, der sowohl das Bauträgervertragsgesetz als auch das Insolvenzrecht und die einschlägigen Versicherungsfragen beherrscht. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Optionen zur Schadensminderung ausgeschöpft werden und Sie Ihre Investition bestmöglich absichern.


Wir beraten und vertreten Sie umfassend


Unsere Kanzlei verfügt über fundierte Erfahrung bei der Begleitung von Erwerbern in allen Phasen der Bauträgerinsolvenz: von der rechtlichen Analyse der Ausgangslage über die Unterstützung bei Verhandlungen mit Insolvenzverwaltern und Banken bis hin zur konsequenten Durchsetzung Ihrer Ansprüche gegenüber dem Haftpflichtversicherer.

 

Kontaktieren Sie uns frühzeitig — damit aus dem Traum vom Eigenheim nicht ein finanzieller Albtraum wird.

 

Weitere Informationen finden Sie auch auf unserer Website anwalt-baurecht.at. Zudem weisen wir auf unseren Artikel Rechtsschutz beim Immobilienkauf und Schadenersatz, OGH 7 Ob 33/25s hin: Für ein Vorgehen gegen den Haftpflichtversicherer oder den Baufortschrittsprüfer könnte aufgrund dieser von uns erwirkten Entscheidung sogar Rechtsschutzdeckung bestehen.

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