Illustration: Immobilien und Paragraphenzeichen als Sinnbild für Vertragsprüfung im Mietrecht

Mietrecht aktuell: OGH kippt Betriebskostenklauseln und präzisiert Wertsicherung – Handlungsbedarf für alle Vertragsparteien

Stand: August 2025

 

In den letzten zwei Jahren haben mehrere Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (OGH) und des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) das Mietrecht neu geprägt. Besonders Wertsicherungs- und Betriebskostenklauselnstehen dabei im Fokus.

 

Aktuell betrifft das zwei entscheidende Bereiche:

 

📌 Anpassung des Mietzinses (Wertsicherung)

📌 Überwälzung von Betriebskosten und Bewirtschaftungskosten

 

Wertsicherungsklauseln – neue Klarheit durch 10 Ob 15/25s (Juli 2025)

 

Der OGH hat mit dieser Entscheidung klargestellt, dass § 6 Abs  2 Z  4 KSchG auf langfristige Mietverträge nicht anwendbar ist und daher eine vereinbarte Wertsicherungsklausel – sofern sie transparent formuliert ist – auch dann wirksam bleibt, wenn eine Erhöhung theoretisch innerhalb der ersten beiden Monate nach Vertragsabschluss möglich wäre.

Klauselteile über Nachfolgeindizes können hingegen unwirksam sein. Wenn der Mieter Erhöhungen über längere Zeit jedoch vorbehaltlos akzeptiert, kann dies – wie der OGH betont hat – als Zustimmung zum verwendeten Ausgangsindex gewertet werden. Dadurch wird eine nachträgliche Anfechtung deutlich erschwert.

 

Fazit:
Rückforderungen aus Wertanpassungen sind nach 10  Ob  15/25s schwieriger geworden. Dennoch bleibt eine genaue Vertragsprüfung unerlässlich, insbesondere im Hinblick auf Transparenz, sachliche Rechtfertigung und unzulässige Nebenbestimmungen. Fehlerhafte Klauseln, die über den Kern der Wertsicherung hinausgehen, können weiterhin unwirksam sein und Rückforderungsansprüche begründen.

 

Lesetipp: Wir haben uns mit der brisanten Frage der Wirksamkeit von Wertsicherungsklauseln bereits ausführlich in einem eigenen Beitrag befasst. Zum Artikel „Wertsicherungsklauseln auf dem Prüfstand: Rückforderungen und Handlungsbedarf“ →

 

Betriebskostenklauseln als zweiter zentraler Streitpunkt

 

Während der OGH also die Wertsicherung in langfristigen Mietverträgen grundsätzlich bestätigt, zeigt sich: Viele Mietverträge enthalten noch eine zweite, oft übersehene Klausel mit erheblicher Sprengkraft – die Regelungen zu Betriebskosten und Bewirtschaftungskosten.
Und genau hier greift die Rechtsprechung noch viel schärfer durch:

 

Betriebskosten- und Bewirtschaftungskosten-Klauseln – Urteil 10 Ob 54/24z (Dezember 2024)

Neben der Wertsicherung stellt der OGH auch Klauseln über Bewirtschaftungs- und Betriebskosten verstärkt auf den Prüfstand.

 

Sachverhalt:
Mieter sollten laut Vertrag zusätzlich zum Hauptmietzins alle Bewirtschaftungskosten des Gebäudes anteilig tragen (inkl. Betriebskosten, Heizkosten, öffentlicher Abgaben, Verwaltungskosten). Die Klausel war vorformuliert und wurde nicht individuell ausverhandelt.

 

Entscheidung:
Die Klausel ist intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG), weil:

  • die Kostenarten nur beispielhaft aufgezählt wurden,
  • und damit der Umfang der Verpflichtung für den Mieter nicht klar war.

 

Folge:

Die Klausel über Bewirtschaftungs- und Betriebskosten ist unwirksam.  Bereits geleistete Zahlungen für diese Betriebskosten sind zurückzuzahlen. Auch Akontozahlungen / Betriebskostenvorschreibungen für die Zukunft verlieren ihre Grundlage.

 

Wann drohen Rückforderungen? Worauf Mieter und Vermieter achten müssen

 

✅  Praxistipps für Mieter:

  1. Lassen Sie Ihren Mietvertrag auf Wertsicherung und Betriebskosten prüfen.
  2. Sammeln die Erhöhungsmitteilungen und Zahlungsnachweise.
  3. Handeln Sie rechtzeitig - vor Inkrafttreten geplanter Fristverkürzungen für Rückforderungen.

Zahlungen aufgrund unwirksamer Klauseln können – teilweise über viele Jahre – zurückgefordert werden. Jeder Vertrag muss im Detail geprüft werden, insbesondere im Hinblick auf:

  • Transparenz (§ 6 Abs  3 KSchG),
  • Überraschung (§ 864a ABGB) und
  • Grobe Benachteiligung (§ 879 Abs  3 ABGB).

 

✅  Praxistipps für Vermieter

  1. Mietverträge überprüfen: Lassen Sie Ihre bestehenden Mietverträge von einem spezialisierten Rechtsanwalt prüfen. Dabei sollte geklärt werden, ob die verwendeten Klauseln überhaupt unwirksam sind und ob aufgrund aktueller Rechtsprechung Handlungsbedarf besteht. Für Wertsicherungsklauseln ist dabei besonders die Entscheidung 10  Ob  15/25s zu beachten, in der der OGH klargestellt hat, dass Wertsicherung in langfristigen Mietverträgen grundsätzlich zulässig ist, aber bestimmten Einschränkungen unterliegt. Für Betriebskosten- und Bewirtschaftungskostenklauseln ist die Entscheidung 10  Ob  54/24z zu beachten: Der OGH hat dort zwar bereits viele solcher Klauseln wegen Intransparenz für unwirksam erklärt, die Frage der „gröblichen Benachteiligung“ (§  879 Abs  3 ABGB) jedoch ausdrücklich noch nicht entschieden.

  2. Anzahl der vermieteten Wohnungen feststellen: Klären Sie, wie viele Wohnungen Sie vermieten. Ab fünf vermieteten Wohnungen werden Sie in der Regel als Unternehmer eingestuft. In diesem Fall gelten die Schutzbestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes (KSchG), was zusätzliche Anforderungen an die Wirksamkeit der Vertragsklauseln bedeutet.

  3. Formularvertrag vermeiden: Senden Sie Entwürfe des Mietvertrags ausdrücklich zur Durchsicht mit der Möglichkeit zur Ergänzung und Änderung.

    Gehen Sie auf Vorschläge des Mieters ein, um zu zeigen, dass Änderungen ernsthaft möglich sind. Die sodann ausverhandelten Klauseln unterliegen nicht der Klauselkontrolle, sie sind nicht kontrollfähig.

  4. Kostenaufzählung konkretisieren: Zählen Sie die Betriebskostenpositionen im Detail auf. Vermeiden Sie die Wörter "insbesondere", "beispielsweise" und weitere unbestimmte Formuliereungen wie "sämtliche für den Betrieb des Hauses notwendige Kosten".

  5. Strategische Vorbereitung auf Vergleichsverhandlungen: Werden im Zuge einer Vertragsprüfung ungültige Klauseln identifiziert, sollten Vermieter nicht abwarten, bis es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommt. Es empfiehlt sich, proaktiv Vergleichsanbote mit generalbereinigender Wirkung zu unterbreiten. Auf diese Weise lassen sich Rückforderungen außergerichtlich bereinigen und künftige Prozesse vermeiden.

    Gleichzeitig sollte unbedingt geprüft werden, ob eine Rechtsschutzversicherung besteht, die die Kosten eines Gerichtsverfahrens übernimmt. In diesem Fall kann es – je nach Fallkonstellation – auch sinnvoll sein, sich bewusst auf eine gerichtliche Klärung einzulassen, wenn die Erfolgsaussichten gut sind.

  6. Haftungsfrage prüfen: Überprüfen Sie, ob Fehler bei der Vertragsgestaltung durch den Vertragserrichter (z. B. Rechtsanwalt oder Notar) vorliegen. Solche Ansprüche unterliegen einem strengen Verjährungsregime. Dabei kann schon die aktuelle breite mediale Berichterstattung über die OGH-Entscheidungen dazu führen, dass die Verjährungsfrist zu laufen beginnt.

 

Was Mieter und Vermieter jetzt tun sollten


Die jüngsten Entscheidungen des OGH haben das Mietrecht für beide Seiten neu geordnet. Während Wertsicherungsklauseln in langfristigen Mietverträgen nach 10  Ob  15/25s grundsätzlich zulässig bleiben, sind Klauseln zu Betriebskosten und Bewirtschaftungskosten nach 10 Ob 54/24z nach wie vor ein heißes Eisen. Für Mieter können sich Rückforderungsansprüche ergeben, für Vermieter erhebliche finanzielle Risiken.

Ob als Mieter oder Vermieter – eine individuelle Prüfung der Verträge ist entscheidend, um böse Überraschungen zu vermeiden oder Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen.


Wir prüfen Ihre Mietverträge, klären Ihre rechtliche Situation und entwickeln mit Ihnen die passende Strategie – sei es zur Durchsetzung von Rückforderungen oder zur Absicherung Ihrer Position als Vermieter.

Kontaktieren Sie uns für ein Erstgespräch →

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